Für ihr
Engagement für Umwelt und Gesellschaft bekam Wangari Maathai (1940 – 2011) aus
Kenia 2004 den Friedensnobelpreis. Ihre Autobiographie Unbowed ist eine packende Lektüre. Während sie ihre Kindheit in
einem Kikuyudorf beschreibt, wo sie ihrer Mutter auf dem Feld half und den
Geschichten ihrer Tante lauschte, und danach ihre Jugendzeit zwischen katholischen
Mädcheninternaten und ihrem Heimatdorf, erhält man auch einen Einblick in die Struktur
und die Entwicklung der Gesellschaft Kenias von der späten Kolonialzeit bis zu
den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2002. Man erfährt, dass die
systemimmanente soziale Ungerechtigkeit, die immer wieder ethnische Konflikte aufflammen
lässt – z.B. 2007 und 2017 nach den Präsidentschaftswahlen - durch die
britische Kolonialverwaltung angelegt wurde und notwendige Reformen zu ihrer
Korrektur auch nach Erreichen der Unabhängigkeit von keiner Regierung durchgeführt
wurden.
Nach ihrem Studium
in den USA und ihrer Doktorarbeit an der Universität München kehrte sie nach
Kenia zurück. Dort machte sie die beunruhigende Beobachtung, dass
Mangelernährung und Armut in den ländlichen Gebieten zunahmen und kam zu dem
Schluss, dass Erosion und Verwüstung entscheidende Faktoren waren. Deshalb
begann sie einheimische Bäume zu pflanzen, die die Erde festhalten und die Speicherung
von Wasser und Nährstoffen fördern. Zusätzlich
versuchte sie Frauen für die Pflege der Baumschulen zu gewinnen und auszubilden,
so dass sie das Projekt später selbstständig weiterführen konnten. Aus diesen
Anfängen entstand das ‚Green Belt Movement‘. Es trug zur Verbesserung der
Lebensbedingungen vor allem im ländlichen Kenia bei und stärkte gleichzeitig
die Position der Frauen. Das Projekt wurde von vielen Menschen in Kenia
unterstützt – mehrere 100000 Frauen und Männer pflanzten mehrere Millionen
Bäume (S. 175)— und fand in 13 weiteren Ländern Nachahmung.
Obwohl Wangari
Maathai Akademikerin war, blieb sie im Herzen mit ihrer Familie verbunden, die vom
Ackerbau lebte, und behielt daher immer Bodenkontakt. Aus eigener Erfahrung kam
sie zu der Erkenntnis, dass die Familien sich nur dann dauerhaft von den
Erträgen des Bodens ernähren können, wenn sie das Land nachhaltig bearbeiten,
d.h. es nicht durch Monokulturen ausbeuten, sondern bei der Wahl der
Anbaumethoden und der angebauten Pflanzen die Beschaffenheit und die
Bedürfnisse des Bodens beachten (z.B. S. 121-3).
Das Vertrauen der
Kenianer in Wangari Maathai war so groß, dass sie während den ethnischen
Konflikten nach den Wahlen von 1992 vor Ort zwischen den verfeindeten Gruppen
vermitteln konnte (S. 235-249). Durch ihr Engagement für die Verbesserung der
Lebensqualität in Kenia gewann sie so viel Respekt und Vertrauen bei ihren
Landsleuten, dass sie während der gewaltsamen Konflikte nach den Wahlen 1992 als
Vermittlerin zwischen den ethnischen Gruppen wirken konnte.
Indem sie die
Position der mehrheitlich armen Landbevölkerung, insbesondere der Frauen
stärkte, zog sie sich jedoch den Unmut der Regierung unter Daniel arap Moi zu.
Mit öffentlicher Demütigung, mit Drohungen, Repressionen und Gefängnisstrafen
versuchte diese vergeblich Maathais Engagement zu behindern und ihren Widerstand,
insbesondere gegen ‚landgrabbing‘ zu brechen. Der Buchtitel ‚Unbowed‘
charakterisiert sie zurecht als eine bewundernswert starke Frau, mit einem
großen Organisationstalent, die unglaublich viel aushielt und immer wieder ihre
Freiheit und ihr Leben für ihre gute Sache aufs Spiel setzte.
Vor den
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2002 setzte Maathai große Hoffnungen auf
einen Regierungswechsel. Es gelang ihr selbst zur Wahlkreisabgeordneten gewählt
zu werden. In der neuen Regierung von Präsident Kibaki wurde sie 2003 stellvertretende
Umweltministerin.
Nach einem
hoffnungsvollen Anfang verwickelte sich jedoch auch diese Regierung in
Korruptionsskandale, wobei die geplanten Reformprojekte zum Stillstand kamen.
Es wäre
interessant über Maathais Arbeit in dieser Zeit zu erfahren, aber die
Biographie endet 2002.
Ebenso fände ich
es spannend die weitere Entwicklung des Green Belt Movement kennen zu lernen.
Der Kurzfilm unter http://www.greenbeltmovement.org/wangari-maathai/taking-root-documentary
gibt einen lebendigen Eindruck von Wangari Maathais Engagement.
2. Michela Wrong Jetzt sind wir dran. Edition Tiamat, Berlin 2010
Deutsche Übersetzung von Our turn to eat.
Jetzt sind wir dran von Michela Wrong schließt zeitlich an Wangari
Maathais Autobiographie an und ist ebenfalls eine packende, aufschlussreiche
Lektüre. Auch dieses Buch gibt einen Einblick in die kenianische Gesellschaft.
Es konzentriert sich dabei auf Entwicklungen, die in letzter Konsequenz zu den
gewaltsamen ethnischen Konflikten nach den Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen von 2007 führten. Die Autorin betrachtet diese nationale
Katastrophe als ein eindrückliches Beispiel für die schrecklichen Konsequenzen,
die unvermeidlich eintreten, wenn führende Politiker das Gesetz missachten und
auf Kosten der Normalbürger mit der Wirtschafts- und Finanzwelt schmutzige
Geschäfte abschließen. So lange die politische Führungselite nur für das Wohl
ihrer Familien, auch im weiteren Sinne der Stammeszugehörigkeit, sorgt, wird
das friedliche Zusammenleben als Bürger einer gemeinsamen Nation immer
gefährdet sein. Soziale Gerechtigkeit im Sinne von Chancengleichheit und
soziale Mobilität durch eigene Leistung bleiben eine Utopie.
In diesem Zusammenhang ist es besonders verstörend ,
dass westliche Spendernationen die herrschende Elite im Grunde finanzierten und
die Korruption durch ihr Wegschauen unterstützten. ‚Durch ihr Schweigen fielen
sie denjenigen in den Rücken, die versuchten ihre eigene Gesellschaft zu
reformieren und damit gerade denjenigen, die sie zu unterstützten behaupteten.‘
(s. 212 im englischen Original; meine Übersetzung)