Samstag, 24. November 2018

Buchempfehlungen: Wangari Maathai, "Afrika, mein Leben: Erinnerungen einer Unbeugsamen." und Michela Wrong, "Jetzt sind wir dran."


Für ihr Engagement für Umwelt und Gesellschaft bekam Wangari Maathai (1940 – 2011) aus Kenia 2004 den Friedensnobelpreis. Ihre Autobiographie Unbowed ist eine packende Lektüre. Während sie ihre Kindheit in einem Kikuyudorf beschreibt, wo sie ihrer Mutter auf dem Feld half und den Geschichten ihrer Tante lauschte, und danach ihre Jugendzeit zwischen katholischen Mädcheninternaten und ihrem Heimatdorf, erhält man auch einen Einblick in die Struktur und die Entwicklung der Gesellschaft Kenias von der späten Kolonialzeit bis zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2002. Man erfährt, dass die systemimmanente soziale Ungerechtigkeit, die immer wieder ethnische Konflikte aufflammen lässt – z.B. 2007 und 2017 nach den Präsidentschaftswahlen -   durch die britische Kolonialverwaltung angelegt wurde und notwendige Reformen zu ihrer Korrektur auch nach Erreichen der Unabhängigkeit von keiner Regierung durchgeführt wurden.   

Nach ihrem Studium in den USA und ihrer Doktorarbeit an der Universität München kehrte sie nach Kenia zurück. Dort machte sie die beunruhigende Beobachtung, dass Mangelernährung und Armut in den ländlichen Gebieten zunahmen und kam zu dem Schluss, dass Erosion und Verwüstung entscheidende Faktoren waren. Deshalb begann sie einheimische Bäume zu pflanzen, die die Erde festhalten und die Speicherung von Wasser und Nährstoffen fördern. Zusätzlich versuchte sie Frauen für die Pflege der Baumschulen zu gewinnen und auszubilden, so dass sie das Projekt später selbstständig weiterführen konnten. Aus diesen Anfängen entstand das ‚Green Belt Movement‘. Es trug zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor allem im ländlichen Kenia bei und stärkte gleichzeitig die Position der Frauen. Das Projekt wurde von vielen Menschen in Kenia unterstützt – mehrere 100000 Frauen und Männer pflanzten mehrere Millionen Bäume (S. 175) und fand in 13 weiteren Ländern Nachahmung. 

Obwohl Wangari Maathai Akademikerin war, blieb sie im Herzen mit ihrer Familie verbunden, die vom Ackerbau lebte, und behielt daher immer Bodenkontakt. Aus eigener Erfahrung kam sie zu der Erkenntnis, dass die Familien sich nur dann dauerhaft von den Erträgen des Bodens ernähren können, wenn sie das Land nachhaltig bearbeiten, d.h. es nicht durch Monokulturen ausbeuten, sondern bei der Wahl der Anbaumethoden und der angebauten Pflanzen die Beschaffenheit und die Bedürfnisse des Bodens beachten (z.B. S. 121-3).  

Das Vertrauen der Kenianer in Wangari Maathai war so groß, dass sie während den ethnischen Konflikten nach den Wahlen von 1992 vor Ort zwischen den verfeindeten Gruppen vermitteln konnte (S. 235-249). Durch ihr Engagement für die Verbesserung der Lebensqualität in Kenia gewann sie so viel Respekt und Vertrauen bei ihren Landsleuten, dass sie während der gewaltsamen Konflikte nach den Wahlen 1992 als Vermittlerin zwischen den ethnischen Gruppen wirken konnte.
Indem sie die Position der mehrheitlich armen Landbevölkerung, insbesondere der Frauen stärkte, zog sie sich jedoch den Unmut der Regierung unter Daniel arap Moi zu. Mit öffentlicher Demütigung, mit Drohungen, Repressionen und Gefängnisstrafen versuchte diese vergeblich Maathais Engagement zu behindern und ihren Widerstand, insbesondere gegen ‚landgrabbing‘ zu brechen. Der Buchtitel ‚Unbowed‘ charakterisiert sie zurecht als eine bewundernswert starke Frau, mit einem großen Organisationstalent, die unglaublich viel aushielt und immer wieder ihre Freiheit und ihr Leben für ihre gute Sache aufs Spiel setzte. 

Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2002 setzte Maathai große Hoffnungen auf einen Regierungswechsel. Es gelang ihr selbst zur Wahlkreisabgeordneten gewählt zu werden. In der neuen Regierung von Präsident Kibaki wurde sie 2003 stellvertretende Umweltministerin.
Nach einem hoffnungsvollen Anfang verwickelte sich jedoch auch diese Regierung in Korruptionsskandale, wobei die geplanten Reformprojekte zum Stillstand kamen.
Es wäre interessant über Maathais Arbeit in dieser Zeit zu erfahren, aber die Biographie endet 2002.
Ebenso fände ich es spannend die weitere Entwicklung des Green Belt Movement kennen zu lernen.

Der Kurzfilm unter   http://www.greenbeltmovement.org/wangari-maathai/taking-root-documentary
gibt einen lebendigen Eindruck von Wangari Maathais Engagement.



2. Michela Wrong Jetzt sind wir dran. Edition Tiamat, Berlin 2010
Deutsche Übersetzung von Our turn to eat




Jetzt sind wir dran von Michela Wrong schließt zeitlich an Wangari Maathais Autobiographie an und ist ebenfalls eine packende, aufschlussreiche Lektüre. Auch dieses Buch gibt einen Einblick in die kenianische Gesellschaft. Es konzentriert sich dabei auf Entwicklungen, die in letzter Konsequenz zu den gewaltsamen ethnischen Konflikten nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen von 2007 führten. Die Autorin betrachtet diese nationale Katastrophe als ein eindrückliches Beispiel für die schrecklichen Konsequenzen, die unvermeidlich eintreten, wenn führende Politiker das Gesetz missachten und auf Kosten der Normalbürger mit der Wirtschafts- und Finanzwelt schmutzige Geschäfte abschließen. So lange die politische Führungselite nur für das Wohl ihrer Familien, auch im weiteren Sinne der Stammeszugehörigkeit, sorgt, wird das friedliche Zusammenleben als Bürger einer gemeinsamen Nation immer gefährdet sein. Soziale Gerechtigkeit im Sinne von Chancengleichheit und soziale Mobilität durch eigene Leistung bleiben eine Utopie.
In diesem Zusammenhang ist es besonders verstörend , dass westliche Spendernationen die herrschende Elite im Grunde finanzierten und die Korruption durch ihr Wegschauen unterstützten. ‚Durch ihr Schweigen fielen sie denjenigen in den Rücken, die versuchten ihre eigene Gesellschaft zu reformieren und damit gerade denjenigen, die sie zu unterstützten behaupteten.‘ (s. 212 im englischen Original; meine Übersetzung)             

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