Montag, 20. März 2023

C-a-f-f-e-e. Trink nicht so viel Caffee. Ein Dialog zwischen der Asketin und der Genießerin in mir

C-a-f-f-e-e. Trink nicht so viel Caffee[i]

Ein Dialog zwischen der Asketin und der Genießerin in mir

Bis vor ein paar Monaten trank ich bis zu vier Tassen Kaffee am Tag, die erste nach der Morgenroutine, dann eine nach dem Frühstück, die dritte nach dem Mittagessen und die vierte in der Mitte des Nachmittags. Aus gesundheitlichen Gründen, als Teil einer Diät, die den Rückgang der Symptome einer Autoimmunerkrankung bewirken soll, ist es jedoch erforderlich, meinen Kaffeekonsum stark zu reduzieren oder sogar, wenigstens für ein paar Monate, gar keinen Kaffee mehr zu trinken. Dies erschien mir zunächst unvorstellbar, und ich begann, mit mir selbst eine Diskussion zu führen, die ungefähr so verlief:

Asketin (fröhlich): Juhuuu, jetzt beginnt dein Sabbatjahr. Das ist deine Chance, schlechte Alltagsgewohnheiten hinter dir zu lassen. Wie wäre es, wenn du beginnst, deinen Kaffeekonsum abzustellen?

Genießerin (entsetzt): Jetzt gleich? Das kann ich nicht. Ich verzichte ja schon auf Zucker, jedenfalls weitgehend. Alkohol habe ich schon lange keinen mehr getrunken. Warte doch erstmal ab. Vielleicht genügt es, sich an die anderen Diätvorschriften zu halten.

Asketin (belehrend): Abwarten ist nur ein Euphemismus für hinausschieben. Wenn du die ersten paar Tage überstanden hast, fällt es dir nicht mehr schwer.

Genießerin (in hörbarer Panik): Aber die ersten Tage sind eine Qual. Muss ich mir das wirklich antun? Kaffee hebt meine Stimmung. Schon das Aufstehen fällt leichter beim Gedanken an die erste Tasse. Danach bin ich bereit, meine Aufgaben anzupacken. Mittags falle ich nicht in ein so tiefes Loch, wenn ich Kaffee trinke. In meinen Freistunden baut mich eine Tasse Kaffee wieder auf.   

Asketin (lachend): Aber hast du nicht selbst gesagt, dass du die anregende Wirkung gar nicht mehr spürst? Dass Kaffee stärker wirkt, wenn man nur ein oder höchstens zwei Tassen täglich trinkt.

Genießerin (schmolled): Du bist gut im Spaßverderben. Es ist ja nicht nur die anregende Wirkung. Was den Kaffee einzigartig macht, ist der Geschmack. (jetzt schwärmerisch) Das volle, bittere Aroma, das entfernt an Schokolade erinnert, perfekt abgerundet mit einer guten Crema.

Asketin (besänftigend): Dagegen lässt sich natürlich nichts einwenden. (jetzt schelmisch) Meintest du aber nicht, dass du dir einen Kaffee manchmal leckerer vorstellst als er dann tatsächlich ist?

Genießerin (etwas ernüchtert): Ja, das ist schon vorgekommen, wenn ich mich im Urlaub in ein neues Café setzte. Vom Filterkaffee bin ich schon längere Zeit abgekommen. Aber einem guten Café Crème kann ich einfach nicht widerstehen. (nach einer kleinen Pause zweifelnd:) Bist du denn wirklich sicher, dass Kaffee mir schadet? Nach Ansicht eines Gesundheitsexperten neulich im Radio ist es inzwischen Konsens, dass man problemlos bis zu vier Tassen Kaffee täglich trinken kann. Kaffee soll sogar gut für die Leber sein.

Asketin (lächelnd): Seit wann hast du Probleme mit der Leber? Ausweichen führt dich letztlich nicht weiter. Es gilt auch als gesichert, dass Kaffee harntreibend wirkt und dadurch dem Körper Flüssigkeit und Mineralstoffe entzieht.

Genießerin (träumerisch): Ja. In Österreich bekommt man immer ein Glas Wasser zum Kaffee, zum Flüssigkeitsausgleich.

Asketin (mit strenger Miene): Dann bleibt immer noch der Verlust an Mineralstoffen. Denke an deine Tendenz zu niedrigen Eisenwerten im Blut. Dadurch ermüdet Kaffee in letzter Konsequenz.

Wenn du es nicht jetzt anpacken möchtest, wann dann?

In deinen Pausen kannst du ja auch Tee trinken. Natürlich keinen Schwarztee oder Grünen Tee. Die enthalten nämlich Tein, das ähnlich anregend wirkt wie Koffein. Aber ein heißer Kräutertee tut auch gut. Damit nimmst du auch Wärme und Flüssigkeit auf. Das hilft nachhaltiger über Tiefpunkte hinweg.

Genießerin (trotzig): Wenn sich die Gesundheitsexperten aber einig sind, dass Kaffee nicht schadet?

Asketin (ernst): Ich denke, dass es Sinn macht, wenn jeder von seiner eigenen gesundheitlichen Verfassung und körperlichen Veranlagung ausgeht.

Genießerin (nostalgisch): Es geht ja nicht nur um die körperliche Gesundheit. Lebensfreude ist auch wichtig. Schon allein durch den Kaffeegeruch, den ich seit meiner Kindheit so gerne mag. Dazu kommt, dass Kaffee ein soziales Getränk ist. Man trinkt Kaffee mit Kolleg*innen, lädt Freunde zum Kaffee ein, geht zusammen Kaffee trinken. Im Urlaub ist er ein wichtiger Teil des Urlaubsgefühls, er trägt mit zur Entspannung bei. In Frankreich, Italien und Griechenland sitzen die Menschen den ganzen Tag gemütlich im Café, vor sich eine Tasse Kaffee. Da nicht mitmachen zu können, ist schon echt hart. Man bekommt außerdem nicht überall Kräutertee.

Asketin (besänftigend): Ich verstehe gut, was dir verloren geht, wenn du auf Kaffee verzichtest. Vielleicht hilft es, wenn du dich fragst, welchen Nutzen es dir bringen und warum es sich lohnen könnte, die Entzugserscheinungen eine Weile auf sich zu nehmen.

Genießerin (seufzt tief auf): Ich wache nachts auf, oft so gegen halb zwei/zwei Uhr und kann dann länger nicht mehr einschlafen. Morgens bin ich müde, weil ich nicht genug geschlafen habe. Meine Konzentrationsfähigkeit hat auch abgenommen. Wenn ich mich dazu überwinden kann, keinen Kaffee mehr zu trinken, würde ich hoffen, wieder besser zu schlafen, und mich tagsüber fitter zu fühlen, mich besser konzentrieren zu können.

(nach einer kurzen Pause träumerisch:) Und da ist noch eine Hoffnung.

Asketin (lächelnd): Ja?

Genießerin: Wenn ich mit der Diät konsequent bin, kann ich vielleicht, auf längere Sicht hin ohne Medikamente und ohne Radioiodtherapie auskommen. Einer meiner Kollegen hat das auch geschafft.

Asketin: Wenn dir diese Ziele so wichtig sind, kannst du sie dir ja aufschreiben und den Zettel in die Küche hängen. 

Genießerin (gequält): Meinst du, dass das hilft? Vielleicht am ersten Tag, aber am zweiten, wenn ich spüre, dass mir der Kaffee fehlt ….. .

Asketin (amüsiert lachend): Ja, ja, die Entzugserscheinungen. Warum gehst du nicht in kleinen Schritten voran. Du musst ja nicht vom einen auf den anderen Tag ganz aufhören. Reduziere erstmal auf zwei Tassen täglich. Und wenn du drei Tage durchgehalten hast, nimmst du es dir für die nächsten drei Tage wieder vor. Danach hast du fast schon eine ganze Woche geschafft.

Genießerin (wehleidig): Ich quäle mich und du amüsierst dich. Du bist ganz schön sadistisch.

Asketin (freundlich aber bestimmt): Und du badest in Selbstmitleid. Es ist doch jetzt dein Sabbatjahr. Wenn nicht jetzt, wann dann?

 

 

Und wie ergeht es mir mit dem Ausstieg aus dem Kaffeekonsum?

Ich bin mir bewusst, dass mir ein Ausstieg von 4 auf 0 oder auch nur auf eine Tasse Kaffee zu Hause während des normalen Alltags und mit meiner Kaffeemaschine in der Küche nie gelingen würde.

Deshalb nutze ich den Sommerurlaub zum Einstieg aus dem Ausstieg. Da ich mit dem Rad unterwegs bin, ergibt es sich von alleine, dass ich weniger Kaffee trinke, nur zum Frühstück, wenn ich in einem Hotel übernachte, oder am frühen Nachmittag. Eine Tasse pro Tag erlaube ich mir, manchmal zwei. Nach meiner Rückkehr gelingt es mir, das reduzierte Kaffeetrinken auch zu Hause und später während meiner Spanienreise durchzuhalten. Die Wirkung hält sich noch in Grenzen. Ich habe trotz der Einschränkung unterwegs hin und wieder eine schlaflose Nacht. 

Über Weihnachten steige ich auf entkoffeinierten Kaffee um und beschränke mich streng auf eine Tasse pro Tag nach dem Mittagessen. Koffeinfrei ist er jedoch nicht, denn auf der Packung sind zwei von fünf Bohnen ausgefüllt. Das habe ich nachgeschaut, nachdem ich die anregende Wirkung bemerkte.

Erst als im Januar die Espressomaschine, die ich mir nach einem Frankreichurlaub kaufte, weil mir der Kaffee daraus so gut schmeckte, wegen vernachlässigter Entkalkung blockiert, schaffe ich den Einstieg in eine Zero-Kaffeezeit, den Sprung in den Entzug und nun beginne ich wirklich eine Besserung zu spüren. Ich wache nachts nur noch kurz auf, manchmal sogar gar nicht mehr, und morgens kann ich vor 7 Uhr problemlos aufstehen, ohne mich zu quälen. Wenn ich die Menschen in den Cafés vor ihren Tassen sitzen sehe, habe ich fast unwiderstehlich große Lust, auch einen Kaffee zu bestellen. Aber wie wird es dann heute Nacht?, frage ich mich unwillkürlich, und die Befürchtung lange wach zu liegen, hält mich wirksam davon ab.

Und wie steht es mit der Konzentration? Ich spüre noch keine entscheidende Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung. Vormittags am Schreibtisch bin ich zwar selten in Hochstimmung, verspüre aber auch kein wirkliches Tief. Je nach Phase bin ich genauso müde oder fit wie mit Kaffee. Ingwer, am besten roh, aber auch in Tee- oder Sudform, ist übrigens ein guter koffein- und zuckerfreier Muntermacher.

Jetzt fühle ich mich stark genug, das Experiment eine Weile weiterzuführen. Es muss ja nicht für die Ewigkeit sein. Es hilft ein bisschen, dass ich beide Male, als ich entgegen meiner Vorsätze doch eine Tasse Kaffee trank, nicht zufrieden war. Einmal in Griechenland bestellte ich zu einem Apfelkuchen eine Tasse Kaffee, weil es irgendwie dazugehörte, aber der Kaffee schmeckte dann gar nicht so gut wie die Vorstellung es mir vorspiegelte. Auch die Tasse entkoffeinierten Kaffees, die ich am ersten Sonntag nach meiner Rückkehr nach dem Mittagessen mit meiner Espressomaschine zubereitete, entsprach nicht meinem Kaffeeideal.



[i] Ich spiele auf den im 18. Jahrhundert von Carl Gottlieb Hering (1766–1853) verfassten und komponierten Kanon an, identifiziere mich aber nicht mit der möglicherweise diskriminierend gemeinten Wortwahl.

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