Freitag, 13. Januar 2017

Halbzeit (Gedicht)


Halbzeit

1.
'Halbzeit, endlich!' - 'und wie steht es?'
'Null zu null, da lief rein gar nichts!
Ach, wie dicht die Abwehr hielt,
schon im Mittelfeld', so grollt er.
'Brandgefährlich waren die Konter,
fast den Ball ins Tor gespielt.'

Ganz frustriert schlappt er zur Küche,
leise hört sie seine Flüche.
Klagt: 'Ich glaube nicht an Wunder,
So wird man doch niemals Meister!
Spielen die nachher so weiter,
scheitern wir in dieser Runde.'


2. An der Tür lehnt sie ganz lässig,
hört nur zu und lächelt heimlich,
weil er ganz im Fußball aufgeht.
Immer Samstags kommt zurück,
der nach dem sie einst verrückt,
den sie lang nicht mehr versteht.


Ha, wie hätte sie gelacht
hätte man ihr vorausgesagt,
wie viel Ehrgeiz in ihm steckte,
im Büro von früh bis abends,
nur von Optimierung labernd
oft sie gar nicht mehr bemerkte.



3. Ach, ihr fehlt der einst begehrte
starke, sinnliche Gefährte,
vor der Nacht als er betrunken ,
ganz bedrückt nach Hause kam.
Er verspüre große Scham,
tief sei er als Mann gesunken.

'Jetzt beginnt ein neues Leben',
sagt´ er mühsam sich erhebend.
'Alles wird nun besser werden,
auf Erfolg will ich mich trimmen,
aufsteigen und mitbestimmen,
mein Vermögen stark vermehren.'



4.'Seine neue Weltanschauung,
ist gewiss von wenig Dauer.'
denkt sie, froh dass er lebendig.
Bald wird sie zutiefst verletzt sein.
'Du denkst nur an die Bilanzen,
ich bin dir ja nicht mehr wichtig.'

Die sich auf sich selbst besonnen,
haben heimlich sie gewonnen.
Ihre heile Welt zu schützen,
sind sie wütend ausgezogen,
sehn sich um ihr Recht betrogen,
gegen alles Fremde hetzen.



5. Eines Tages spät am Abend
sieht sie aus dem Haus am Stadtrand
Flammen aus dem Dachfirst schlagen,
dunkle Schatten, roter Himmel,
grölen wuterfüllter Stimmen:
'Geht nach Hause, ihr Kanaken!'


Nun bemerkt sie nebenan
einen blassen jungen Mann.
'Warum hassen sie uns denn?'
fragt er. Sie sagt tief erschüttert:
'Unzufrieden sind sie, bitter,
Schuld nur bei den Andern sehn.'



6. Wütend auf den Mob dort draußen,
kommt sie aufgewühlt nach Hause.
Ah, da läuft ein Länderspiel.
'Und wie steht es?' - Freistoß, Mauer,
er läuft an, dann Schuss und aaaaaaaah
nur die Latte. - 'Null zu null.'

Jetzt ist Halbzeit, Zeit für Tee.
Angeregt schlappt er zur Küche,
sie folgt langsam, voll Entsetzen
dass sie Sympathie empfunden,
es nicht gleich als falsch befunden
nicht verurteilt Hass und Hetze.

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